Weniger Suizide durch geschlossene Psychiatrie?

In vielen psychiatrischen Kliniken werden Risikopatienten auf geschlossenen Stationen untergebracht. Begründet wird das in der Regel damit, dass man sie nur so von Suizidversuchen und Flucht abhalten, ausreichend schützen und angemessen therapieren kann. Nachgewiesen wurde das nie. Vielmehr gewannen Ärzte und Pfleger den Eindruck, solche Stationen begünstigten durch ihr Behandlungsklima Therapieerfolge nicht und erhöhten die Motivation zu fliehen. In einer großen Studie der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel wird dieser Eindruck jetzt durch Fakten Bestätigt. Für die Studie wurden 350 000 Fälle aus 21 deutschen Kliniken untersucht. Der Untersuchungszeitraum betrug 15 Jahre. In Kliniken mit geschlossenen Abteilungen, so ein Resultat der Studien, treten Suizide und Suizidversuche nicht seltener auf. Zudem verzeichneten Einrichtungen mit offenen Türen nicht mehr erfolgreiche oder misslungene Fluchtversuche. Nach den Worten von PD Dr. Christian Huber wird die Wirkung von geschlossenen Kliniken überschätzt. „Eingeschlossen zu sein, verbessert in unserer Untersuchung die Sicherheit der Patienten nicht und steht der Prävention von Suizid und Entweichung teilweise sogar entgegen. Eine Atmosphäre von Kontrolle, Zwangsmaßnahmen und eingeschränkten persönlichen Freiheiten ist eher ein Risikofaktor für eine erfolgreiche Therapie.“

Aus Hubers Sicht sind die Resultate der Studie wichtig für die Entstigmatisierung, die Partizipation und Emanzipation von Patienten, aber auch für die psychiatrische Versorgung allgemein. Prof. Dr. Undine Lang von den UPK Basel erwartet, dass die Ergebnisse auch juristische Fragestellungen beeinflussen werden. Die Behandlung soll künftig mehr auf ethische Standards fokussieren, die die Autonomie der Betroffenen möglichst bewahren und eine gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Patienten ermöglichen.