„Es gibt kein Alter, in dem nichts mehr vor uns liegt“

Steigende Lebenserwartung – eine der größten  gesellschaftlichen Herausforderungen

„Altern ist eines der größten Zukunftsprojekte der Menschheit“, sagt der Psychologe und Altersforscher Prof. Dr. Frieder R. Lang. Zusammen mit Kollegen des von ihm geleiteten Instituts für Psychogerontologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) geht er in dem Forschungsprojekt „Altern als Zukunft“ der Frage nach, wie sich Bilder von Alter und Altern im Laufe der Zeit ändern.

Menschen leben immer länger, das gilt weltweit. In China beispielsweise steigt die Lebenserwartung deutlich schneller als in Europa oder in den USA, wo sich der Trend in manchen Regionen sogar umzudrehen scheint. Dadurch treten auch die individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen eines langen Lebens wie der Umgang mit Krankheit sowie die Fragen nach angemessener Versorgung und Vorsorge, kulturellen Werten und Einstellungen offensichtlicher zu Tage. Es ist bekannt, dass sich persönliche Sichtweisen auf das Alter darauf auswirken, wie man altert und wie gut das Altern gelingt. Wie Frieder Lang erklärt, ist dabei wichtig, ob es sich um realistische Sichtweisen handelt oder um übertrieben positive oder negative Erwartungen. „Die meisten Menschen unterscheiden, um welchen Aspekt ihres Lebens es geht und haben für die verschiedenen Bereiche unterschiedliche Altersbilder. So kann es beispielsweise sein, dass man das eigene Alter sehr positiv sieht, wenn es um Wohnsituation, Freunde oder die Familie, aber nicht so positiv, wenn es um die Beweglichkeit oder Leistungsfähigkeit geht.“ Mit anderen Worten: Menschen bereiten sich ggf. hinsichtlich bestimmter Aspekte ganz gut auf das Alter vor, bei anderen Themen nicht. Die Forscher interessieren im Rahmen des Projekts auch die persönlichen Zeitpläne für eine gute Altersplanung.

In der modernen Alternsforschung hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass man das Alter besser verstehen kann, wenn man auch berücksichtigt, wie das vorherige Leben verlaufen ist. Rückblickend bewerten Menschen ihre Jugend aber oft anders als zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sie erlebt haben, und vorausschauend bewerten sie ihr zukünftiges Alter oft anders als dann, wenn sie einmal alt sind. „Wir wissen beispielsweise, dass 30-Jährige dazu neigen, sich das Alter sehr extrem als entweder ganz schön oder ganz schrecklich vorzustellen. 80-Jährige beschreiben ihre Erfahrung mit dem Alter dagegen meist komplexer und nicht nur gut oder nur schlecht.“

Lang betont, wie wichtig es ist sich vor Augen zu halten, dass das Alter, insbesondere das hohe Alter, eine in der Menschheitsgeschichte noch sehr junge Erfahrung und im Grunde auch ein noch fast unbekanntes gesellschaftliches Phänomen ist. Wer heute 90 Jahre alt ist, hat in seinem früheren Leben nur selten jemanden gekannt, der ein solches Alter hatte. Wer heute 30, 50 oder gar 60 Jahre alt ist, hat hingegen nicht selten noch lebende Großeltern oder Eltern in einem sehr hohen Alter. „Innerhalb nur ganz weniger Generationen haben wir das Alter als eine neue und eigenständige Lebensphase entdeckt und stehen nun vermutlich vor einem der größten Zukunftsprojekte der Menschheit: Wie nämlich eine Gesellschaft des langen Lebens so gestaltet werden kann, dass Wohlstand, Produktivität und Gesundheit erhalten bleiben. Es gibt hier viel mehr offene Fragen als Lösungen.“
Wie gut das Altern gelingt, hänge in hohem Maße von den jeweiligen gesellschaftlichen Lebensbedingungen ab und auch von persönlichen Lebensstilen. „Trotz dieser doch eigentlich allgemein bekannten Tatsache gebe es viele ungelöste Fragen, etwa warum sich Gesundheit und Wohlbefinden älterer Menschen in vielen Regionen teilweise deutlich unterscheiden, selbst wenn die Lebensbedingungen gleich sind. Beispielsweise sei es in Deutschland für viele ältere Menschen wichtig, nicht von anderen abhängig zu sein, während in vielen asiatischen Ländern oft das Gegenteil gilt und man es selbstverständlich findet, von anderen Menschen abhängig zu sein.

Ein langes Leben, so die Überzeugung des Forschers, gelingt immer dort am besten, wo ältere Menschen aktiv, aus freien Stücken und eigenem Antrieb am sozialen Leben teilhaben und die Gesellschaft mitgestalten. „Niemand ist zu alt für ein gutes Leben. Altern als Zukunft bedeutet, dass es kein Alter gibt, in dem nicht noch etwas vor uns liegt.“ Lang wünscht sich gleichzeitig, dass mehr Menschen auch das Lebensende in den Fokus ihrer Betrachtungen rücken.