Psychoonkologische Versorgung noch längst nicht für alle Patienten

Bessere Konzepte für alle Altersgruppen und Regelfinanzierung nötig

Vom 14. bis 18. August 2017 fand der 19. Weltkongress für Psychoonkologie in Berlin statt. Die Tagung fokussierte angesichts einer weltweit steigenden Krebsprävalenz auf die spezifischen psychosozialen und medizinischen Folgeprobleme einer Krebserkrankung bei Patienten in verschiedenen Altersgruppen und Erkrankungsstadien. Laut Prof. Dr. Anja Mehnert, Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universitätsmedizin Leipzig, sind die Problemlagen und daraus resultierenden psychosozialen Bedürfnisse von Krebspatienten je nach Lebensphase, in der die Erkrankung auftritt, enorm unterschiedlich.

Bislang lag der Fokus der Psychoonkologie besonders auf der mittleren Altersgruppe, also auf Menschen zwischen 40 und Ende 50. Bei ihnen sind die Mehrfachbelastungen sehr hoch, sie haben Beziehungen, Familie, Kinder, manche pflegen auch ihre Eltern, hinzu kommen Beruf und Karriere. Sie werden durch die Diagnose mitten aus dem Leben gerissen und sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert, weil sie wissen, dass sie als Eltern, Partner oder auch Kollegen gebraucht werden.

Doch auch andere Patientengruppen benötigen psychoonkologische Unterstützung. Die Problemlagen sind teilweise andere, werden von den Betroffenen aber als ebenso belastend wahrgenommen. Bei betagten Patienten bestehen z.B. häufig Multimorbidität und daraus resultierend schwierige Behandlungsentscheidungen, aber auch Probleme der Alltagsbewältigung oder die Gefahr der sozialen Vereinsamung. Bei sehr jungen Menschen kann die Krankheit psychische und soziale Entwicklungsaufgaben beeinträchtigen, die Betroffenen haben aber gleichzeitig weniger Verarbeitungsmechanismen, mit Lebenskrisen umzugehen als ältere Patienten.

Junge und alte Patienten sind in den vergangenen Jahren zwar zunehmend in den Fokus der psychoonkologischen Forschung gerückt, etablierte psychoonkologische Versorgungskonzepte fehlen allerdings noch für diese Patientengruppen.

Auch der Anteil der „Krebs-Survivor““ hat in den vergangenen Jahrzehnten die Anforderungen an des Fach erheblich verändert und den Bedarf an psychoonkologischer Versorgung und Cancer Survivorship Programmen erhöht. „Wir haben viel mehr onkologische Erkrankungen, die heilbar sind oder über eine lange Zeit behandelt und versorgt werden können, – und damit ist auch die psychische Belastung unserer Patienten eine andere geworden. Während es früher häufiger darum ging, mit der unmittelbar bevorstehenden Bedrohlichkeit des Todes zurechtzukommen, ist nun in den Vordergrund gerückt, Hilfestellungen für ein Leben mit einer oder nach einer Krebserkrankung zu geben“, erklärt Prof. Dr. Anja Mehnert, zugleich Es werde zunehmend erkannt, dass diese Fragen und Problemlagen sowohl medizinisch als auch psychologisch adressiert werden müssen und wir Onkologie und Psychoonkologie nicht getrennt voneinander sehen dürfen. Erlebens- und Verhaltensfaktoren spielten eine wichtige Rolle u.a. für die Therapieadhärenz, die Lebensqualität und nicht zuletzt für die Morbidität und Mortalität, wie z.B. große, registerbasierte Studien aus Dänemark zeigten.

„Die psychoonkologische Versorgung ist in Deutschland noch längst nicht für alle Patienten sichergestellt, verbesserte Konzepte und eine Regelfinanzierung sind notwendig“, so Mehnert.