Forscher entwickeln Modell der menschlichen Psyche

Bei jeder Entscheidung laufen unbewusste und bewusste Prozesse im Gehirn ab. Forscher haben eine Theorie der Psyche entwickelt und diese in einem mathematischen Modell umgesetzt. Sie wollen damit normales und krankhaftes Verhalten vorhersagen.

Hinter dem Verhalten eines Menschen steckt eine Vielzahl von Antriebsfaktoren – Wünsche, Leiden, Hunger oder das Bedürfnis nach Sicherheit. Schweizer Forscher haben nun ein mathematisches Modell des „verkörperten Bewusstseins“ entwickelt, das menschliches Verhalten simulieren und vorhersagen soll. Die Erkenntnisse könnten unter anderem für die Robotik nützlich sein. Das theoretische Modell vereint Konzepte und Erkenntnisse, aus der Mathematik, der Psychologie, den Neurowissenschaften, der Philosophie, der Informatik und den Ingenieurwissenschaften.

Bei jeder Entscheidung laufen im Gehirn unzählige bewusste und unbewusste Prozesse parallel ab. In Abhängigkeit der individuellen Präferenzen, wie dem Bedürfnis nach Sicherheit oder Anerkennung, und je nach Stimmungslage oder den momentanen körperlichen Bedürfnissen trifft ein Mensch mehr oder weniger bewusst eine Entscheidung. Bekannt für solche von vielen Faktoren abhängenden Entscheidungen ist das Phänomen, dass man hungrig viel mehr im Supermarkt einkauft, als auf dem Einkaufszettel steht.

«Wir haben ein Modell entwickelt, das eine Entscheidung auf Grundlage des Moments, des Rahmens und der realen und imaginären Wahrnehmung reproduziert», sagte der leitende Forscher David Rudrauf von der Universität Genf. Nach Aussagen seines französischen Kollegen Daniel Bennequin, der ebenfalls an der Arbeit beteiligt war, erlaubt dieses «Modell des Projektiven Bewusstseins» die Analyse möglicher Verhaltensweisen in Reaktion auf Ereignisse. „Die Wahrnehmung, Vorstellungskraft und das Handeln stützen sich auf unbewusste Mechanismen, und wir haben entdeckt, dass das Bewusstsein sie mit einer speziellen Geometrie integriert, nämlich projektiver Geometrie“, so Bennequin. Zunächst modellierten die Forscher grundlegende Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung und Vorstellung. Unter anderem stützten sie sich dabei auf Phänomene der Wahrnehmung. Wichtige Einflussgrößen waren auch Emotionen und Motivationen sowie Erinnerungen und Absichten. Nachdem die Forscher diese Komponenten theoretisch definiert hatten, integrierten sie sie in ein Computerprogramm.

In einem nächsten Schritt wollen sie das Modell mit einer virtuellen Realität koppeln, um ähnliche räumliche, zeitliche und affektive Rahmenbedingungen zu schaffen wie die, innerhalb derer unser Bewusstsein funktioniert. Mithilfe des Modells wollen sie dann Vorhersagen über menschliches Verhalten treffen, wobei sie an den Parametern schrauben, um die Simulation dem menschlichen Bewusstsein immer ähnlicher zu machen. Das Ziel besteht David Rudrauf zufolge darin, Modelle psychischer Krankheiten zu entwickeln. „Zum Beispiel haben wir entdeckt, dass wenn wir die Komponente Vorstellungskraft entfernen, sich das Modell ähnlich wie eine Person mit Autismus verhält.“ Das gebe Hinweise auf die Bedeutung der Vorstellungskraft und den damit verknüpften Mechanismen für diese Krankheit und ihre Behandlung.

Inzwischen arbeiten die Wissenschaftler daran, ihre Simulation weiter zu entwickeln und so Maschinen einfühlsamer zu machen. Anwendungen wären in den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz oder auch im Gesundheitswesen denkbar, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Genf.